Mit der Pferdekutsche zum Hausbesuch

Seit hundert Jahren gibt es in Rambin ununterbrochen ärztliche Betreuung. Das historische Doktorhaus erlebte eine wechselvolle Geschichte.

Arztpraxen verwaisen, wenn der Doktor in den Ruhestand tritt; so ist das häufig auf dem platten Land. Nicht so in Rambin. Im April 2019 gibt es im Dorf seit genau 100 Jahren in ununterbrochener Folge eine qualifizierte medizinische Versorgung, zeitweilig sogar mit mehreren Ärzten und bis zu 14 Bediensteten am Ort. Ein Jubiläum, von dem selbst Ortsansässige kaum etwas wissen. Die Gemeinde wird diesen Anlass in einer Feierstunde begehen und im Ort eine Informationstafel aufstellen.

Ein historisches Gebäude spielt eine besondere Rolle – das Doktorhaus direkt gegenüber vom Rambiner Friedhof. Ein Schelm, der dabei Böses denkt. Andererseits: Der Weg zwischen Friedhofsmauer und Arztpraxis heißt „Zum Landambulatorium“. Hier hat sich die Begriffswelt der DDR in die Neuzeit gerettet. Landambulatorien und Polikliniken entwickelten sich von 1955 an zum Kern der medizinischen Versorgung.

Ärztin für Rambin und Umgebung ist aktuell Dr. Martina Lindner. Ihr Vorgänger, Dr. Francis Baudet, musste lange suchen bis er die Nachfolge sichern konnte. Dabei kam sogar ein Zufall zu Hilfe. Foto: Frank Levermann

Hinter der klassizistischen Fassade des doppelstöckigen Hauses wirkten Generationen von Landärzten. Die Leute in Rambin nennen es deshalb heute noch Doktorhaus, obwohl die medizinische Versorgung jetzt nebenan stattfindet – im schlicht dreinschauenden weißen und klinisch sauberen Zweckgebäude. Seit Ende 2014 versorgt hier die Medizinerin Dr. Martina Lindner rund 1000 Patienten aus Rambin und Umgebung.

Die Historie der Ärzte im Dorf beginnt mit einer Liebesgeschichte und endet tragisch. Den damals 29-jährigen Mediziner Dr. Wilhelm Hirsch zieht es nach Rambin – der Liebe wegen zur Rüganerin Margarete Stockmann vom damaligen Forsthaus Hedwigshof bei Kluis. Im Jahr zuvor hatte er in Breslau seine Doktorarbeit geschrieben. Hirsch kauft das Haus in Rambin, richtet sich im Obergeschoss häuslich ein und gründet im April 1919 in Parterre die erste Arztpraxis mit kleinem Wartezimmer. In dieser Zeit kuriert Europa gerade an den tiefen Wunden, die der Ersten Weltkrieg geschlagen hatte. Vielerorts herrschen Krankheit und Elend, Ärzte sind überall vonnöten. Er hat gut zu tun, der erste Allgemeinmediziner in Rambin.

Wird der Doktor zum Hausbesuch gerufen, schwingt er sich aufs Fahrrad und besucht so seine Patienten. Später bringt er es zum Pferd mit Wagen, in den Dreißigerjahren sogar zum Zweispänner mit „Jagdwagen“. Immer rufbereit steht ihm Kutscher Hans Natzius zur Seite. Hinter dem Doktorhaus befinden sich ein Stall für die beiden Pferde und den Kutschwagen sowie ein weiterer Stall mit Waschküche und Nebenräumen, unter anderem mit der Schlafstätte für den Kutscher.

Dr. Hirsch, ab 1919 erster Arzt in Rambin. Foto: Privat

Dr. Wilhelm Hirsch ist Arzt durch und durch. Und die Leute in Rambin lieben ihn für seine ständige Einsatzbereitschaft und „ärztliche Kunst“, wie es damals hieß. Für Freizeit bleiben ihm und seiner Margarete, die er zwischenzeitlich geheiratet hatte, kaum Zeit. „Wenn wir ausnahmsweise mal nach Stralsund ins Theater wollten, fuhren wir mit dem Zug“, schreibt Margarete Hirsch in ihren Erinnerungen. Die Pferde mussten geschont werden für den Diensteinsatz unter der Woche. Weiter schreibt sie in ihren Erinnerungen: „Auf dem Rückweg kamen wir nachts mit der Fähre von Stralsund bis Altefähr und liefen bei Stockdunkelheit die sechs Kilometer zu Fuß nach Hause.“

Man schreibt den 7. Juni 1937, jenen Tag, an dem der emsige, beliebte Doktor mit nur 47 Jahren stirbt. Nach 18 Jahren Schaffenszeit in Rambin wird er drei Tage später beigesetzt. „Die Teilnehmerzahl war unübersehbar“, schreibt Margarete Hirsch in ihren Erinnerungen, „jedes Haus hatte Halbmast geflaggt“. Das ganze Dorf traure um seinen Arzt.

Unmittelbarer Nachfolger ist Dr. Hermann Rolshoven, der aus dem Rheinland zugezogen war und bislang für Hirsch die Vertretung innehatte. 1948 kommt für Rolshoven der Ruf als Chirurg ans Krankenhaus in Bergen. Nachfolger in Rambin wird Dr. Fritz Schumann. Als Heimatvertriebenen hatte es ihn von Hinterpommern nach Rambin verschlagen. Bis 1953 praktiziert er hier. Danach kommt der in Putbus ansässige Kreissportarzt Dr. Werner Grunert dreimal in der Woche zur Sprechstunde ins Doktorhaus nach Rambin.

Das Rambiner Doktorhaus nach Sanierung. Hier praktizierten Generationen von Landärzten. Foto: Frank Levermann

Schließlich, 1955, erreicht der Wandel im Gesundheitssystem der DDR auch das beschauliche Rambin. Das historische Doktorhaus wird zum Landambulatorium umfunktioniert. Nach dem Muster der größeren Polikliniken in zentralen Städten kümmert sich das Personal der neuen Landambulatorien um die medizinische Versorgung in dünn besiedelten Gebieten. Rambin mutiert zum Zentrum der Gesundheitsversorgung für den ganzen Süd-Westen. Zum Landambulatorium gehören die fünf Dependancen Samtens, Altefähr, Gustow, Dreschwitz und die Insel Hiddensee, teils mit eigenen Ärzten vor Ort und weiterem medizinischen Personal. Insgesamt ein Netzwerk von gut 30 Mitarbeitern. Rambin selbst hat dabei mit 14 Bediensteten eine stattliche Personalausstattung.

Doktorhaus nach Veränderung in der DDR-Zeit. Schlicht, grau und rau: Das Doktorhaus Mitte der Siebzigerjahre nach Renovierung. Im Dorf sprach man spöttisch vom „LPG-Putz”. Foto: Privat

Ärzte und medizinische Mitarbeiter aller Außenstellen treffen sich zu dieser Zeit in Rambin regelmäßig jeden Monat zur Besprechung über aktuelle Behandlungsfälle. Von Gründung des Landambulatoriums an ist zunächst für zwei Jahre der Allgemeinmediziner Dr. Werner Grunert Chef. Jugendzahnärztin Margot Siebke gehört zum Team, jahrelang auch das Ärzteehepaar Heidi und Michael Kallius aus Vitte auf Hiddensee. Nachfolger von Grunert wird 1957 Dr. Heinz Barten mit täglicher Präsenz in Rambin. Seit dieser Zeit fungiert das Landambulatorium Rambin auch als Ausbildungsstätte für das poliklinische Jahr junger Ärzte. In den Jahren 1966 und 1967 zieht Barten sich schrittweise zurück; das Amt als Präsident der Gesellschaft für Allgemeinmedizin der DDR in Berlin verschafft ihm höhere Meriten. Zu dieser Zeit absolviert bereits Gerhard Paschirbe in Rambin sein poliklinisches Jahr, seit 1970 ist er Facharzt für Allgemeinmedizin mit regulärer Anstellung. Chef des Landambulatoriums wird Gerhard Paschirbe 1974 und bleibt es bis 1990.  1988 wird ihm der Titel Medizinalrat (MR) verliehen.

Zahnarzt im Landambulatorium ist bis 1960 Dr. Kurt Fischer. Es folgen noch drei Nachfolger. Zuletzt wirkt Andrea Beer im Doktorhaus. Heute lebt und arbeitet sie als niedergelassene Zahnärztin in ihrem Haus und ihrer Praxis am Rande der Dorfmitte.

MR Gerhard Paschirbe war letzter Chef im ehemaligen Landambulatorium und praktizierte nach der Wende weiter im Doktorhaus. Die Geschichte der Rambiner Ärzte hat er akribisch dokumentiert. Foto: Frank Levermann

Mit der Wende überzieht 1990 das Gesundheitssystem erneut ein Systembruch. Die Landambulatorien der DDR werden aufgelöst, an ihre Stelle treten Praxen niedergelassener Ärzte. MR Gerhard Paschirbe und Zahnärztin Andrea Beer stehen vor Neuland mit besonderen Herausforderungen. Aus dem sicheren Arbeitsverhältnis führt die neue politische Wirklichkeit beide in eine noch ungewisse Selbstständigkeit. Rüstzeug holt sich Paschirbe bei Arztkollegen aus Schleswig-Holstein. Bis Januar 2008 praktiziert er im Doktorhaus als niedergelassener Arzt. Um weiterhin hier wohnen zu können, kauft er das historische Gebäude 1991 und beginnt mit Ehefrau Renate bald mit der Restaurierung. Auch sein Nachfolger Dr. Francis Baudet praktiziert zunächst im Erdgeschoss des Doktorhauses bis er Anfang 2010 in das neu gebaute Haus nebenan einziehen kann.

Die 100 Jahre währende Ärztegeschichte in Rambin folgte immer einem ungeschriebenen Gesetz: Bislang sind Rambiner Mediziner nur dann in den Ruhestand getreten, wenn sie die ununterbrochene Nachfolge sichern konnten. Dr. Francis Baudet musste lange suchen bis er 2014 mit der aktuell praktizierenden Medizinerin Dr. Martina Lindner seine Nachfolgerin gefunden hatte. Darüber war er damals 71 geworden.

Wir haben renoviert.

Unsere Website hatte in letzter Zeit einige Schwächen. Jetzt ist alles wieder fit, und wir können uns neuen Inhalten widmen. Da das ehrenamtlich läuft, wird es ein Weilchen dauern. Wer etwas für den öffentlichen Auftritt unseres Dorfes tun will, ist herzlich eingeladen, mit Informationen, Texten oder Bildern mitzuwirken.
Kontakt: Frank Levermann
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Willkommen in Rambin

Mit Rügen verbinden die meisten Strandurlaub in betriebsamen Seebädern oder Sehenswürdigkeiten wie die berühmten Kreidefelsen. Halt die bekannten Touristenziele. Es gibt auch Orte auf der Insel, die für Ruhe und freie Landschaft stehen. Der Blick reicht bis zum Horizont, keine Infrastruktur verstellt den Blick. Rambin ist so ein Flecken. Rügens milder Westen.

Rambin mit historischem Dorfkern ist in etwa geografische Mitte von elf Ortsteilen, die zusammen nahezu die Fläche der nahegelegenen Hansestadt Stralsund ausmachen. Foto: Wikimedia Commons, Klugschnacker.

Wer des Großstadttrubels überdrüssig ist, kann sich hier mal richtig abhängen lassen – in der Sonne träumen, den weißen Wolken folgen, den Vögeln im Schilfgürtel lauschen. Rotmilan und Habicht zeigen sich zu jeder Jahreszeit. Mit etwas Glück sieht man ein Seeadlerpärchen kreisen. Im Frühjahr und Herbst rasten hier Tausende von Kranichen. Morgens ziehen sie mit lauten Rufen in großen Formationen zu ihren Futterplätzen auf den nahegelegenen Weiden und Feldern. Abends kommen sie zurück auf dem Weg zu ihren Schlafplätzen in den seichten Gewässern des Boddens. Zwischendurch sind Heerscharen von Wildgänsen unterwegs. Vom Herbst bis ins Frühjahr ist der Kubitzer Bodden von Schwänen reich bevölkert. Wenn sie beim Gründeln nicht mehr genug Nahrung finden, fliegen sie mit singendem Flügelschlag auf die naheliegenden Felder. Zum Leidwesen der Landwirte, denn die aufgehende Wintersaat haben sie zum Fressen gern. „Hier am Kubitzer Bodden haben wir als Wintergäste neben Höckerschwäne auch die selteneren Singschwäne“, weiß Dr. Lutz-Arend Meyer-Reil, emeritierter Professor der Universität Greifswald.

Am Kubitzer Bodden sind beim Anglerverein Rambin einige Liegeplätze für flachgehende Motor- und Segelboote frei. Das Revier mit Zugang zum Strelasund, zur Insel Hiddensee und der offenen Ostsee ist ideal für Angler und Jollensegler.

Der Kubitzer Bodden ist ein ideales Revier für Angler und Jollensegler. Foto: fl

Die Landschaft rund um Rambin lädt ein zum Wandern und Radfahren, Angeln, Surfen oder Segeln. Im Reiterhof Kasselvitz mit Abenteuer- und Kinderferiencamp gibt es Ausbildung und Programm rund ums Pferd. Per Zug oder mit dem Auto kommt man schnell in die nahegelegenen Hansestädte Stralsund und Greifswald mit ihren großartigen Stadtbildern, Kulturangeboten und Einkaufsquellen. Ebenso schnell führt der Weg in die bekannten Seebäder an der Ostküste von Rügen oder zu den schönsten Ausflugsstätten der Insel – ein Standortvorteil für Bewohner und Touristen in Rambin. Für Gäste öffnen freundliche Familien ihre Ferienwohnungen. Im Ortsteil Götemitz befindet sich die Pension „Landgasthaus – Die Insel auf Rügen” mit Restaurant und Veranstaltungsscheune.

In den vergangenen Jahrzehnten konnte Rambin in puncto Standortqualität mächtig zulegen und ist jetzt ein attraktiver Wohnort. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung hat Rambin ein Prädikat verdient: „Das Gesundheitsdorf”. In der Ortsmitte gibt es eine Kindertagesstätte und einen große Kinderspielplatz. Die schulische Versorgung ist mit den Nachbargemeinden Gingst, Dreschvitz und Garz und der nahen Hansestadt Stralsund gesichert. Bachelor- und Masterstudiengänge bietet die Hochschule Stralsund. Unsere Gemeinde liegt verkehrsgünstig und ist schnell über die Autobahn A20/Bundesstraße 96 oder mit dem Zug am Bahnhof Rambin zu erreichen.

Wohnen in Rambin. Egal ob historisch oder modern, für manche ein Sehnsuchtsort.
Foto: fl

In der Alten Pommernkate gönnen sich Touristen gern inseltypische Leckereien und decken sich mit Geschenken für ihre Rückfahrt ein. Fisch aus hauseigener Räucherei, Brötchen und Kuchen aus eigener Bäckerei sind auch bei Einheimischen sehr beliebt. Direkt nebenan befindet sich die Rügener Insel-Brauerei. Vom Start weg, seit 2015, schreibt die kleine Craft-Bierbrauerei eine schier unglaubliche Erfolgsgeschichte.

In der Insel-Brauerei kann man in einer Verkostung unter den edlen Craft-Biersorten wählen.

Von Landes- und Bundesprogrammen, Initiativen aus der Wirtschaft und vom Engagement der tausend Einwohner profitiert Rambin – ein Ort zum Leben, auch zum Arbeiten: Wer hier wohnen, einen Betrieb aufmachen oder freiberuflich schaffen will, findet günstige Voraussetzungen. Rambin hat Potenzial zum Wachsen, verfügt über schnelles Internet, günstige Grundstückspreise und niedrigen Gewerbesteuer-Hebesatz.

Was sonst noch über Rambin zu sagen ist, bietet dieser Link zum Tausend-Seelen-Ort.

Anglerverein feiert 50-jähriges

Rambin, 21. Juni 2015 – An diesem Tag feiert der Anglerverein Rambin sein fünfzigjähriges Bestehen. Der Anlass zeigt auch ein Stückchen DDR-Geschichte und den Wandel nach der deutschen Wiedervereinigung. Früher feierten die Angler in Rambin ein Strandfest. Jetzt ist es im Sommer das Hafenfest. Logisch, gab es doch anfangs in Rambin am Kubitzer Bodden noch keinen Anglerhafen. Der entstand zur DDR-Zeit in kleinen Schritten und mit viel Improvisationstalent.

1965: Die Anfänge  

Heute, wo die Ortsgruppe Rambin im Deutschen Anglerverband das Fünfzigjährige feiert, wird ein Mann besonders geehrt: Hansjürgen Stark (65) ist das einzige dem Verein noch verbliebende Gründungsmitglied. Dafür gab es für ihn vom Vereinsvorsitzenden Andreas Gudescheit (56) warme Worte und einen Korb voller Delikatessen. In seiner Jubiläumsansprache betonte Gudescheit auch die dauerhaft erforderlichen Eigeninitiativen der Angler: „Die Erhaltungs- und Erneuerungsarbeiten an unserer Hafenanlage werden wohl nie zu Ende gehen“. In der Tat: was hier in der kleinen Bucht des Kubitzer Boddens „Am Fuchsberg“ in 50 Jahren entstanden ist, zeugt vom Engagement der Mitglieder im Anglersportverein.

Der Anglerhafen steht für ein Stück Freizeitqualität.

Angefangen hatte alles 1965. Rambiner, die zuvor ihre Angelruten am Ufer ausgelegt hatten, verfolgten die Vision von einem eigenen Steg und einigen Booten, mit denen sie auf den Bodden hinausfahren könnten. Im damaligen Kulturhaus Rothenkirchen trafen sie sich schließlich, gründeten den Verein und waren gleich mit dem ersten Problemchen konfrontiert: Die wenigen Gründungsmitgliedern mussten alle Vereinsposten besetzen, vom Vorsitzenden bis zum Rechnungsprüfer. Auch Hansjürgen Stark wurde in die Pflicht genommen mit der Jugendbetreuung – damals war er gerade 14. Vieles, von dem in diesem Bericht die Rede ist, gibt es heute nicht mehr: Das Kulturhaus, den Badestrand, die Siedlung nahe der Neuendorfer Kate und den Ortsteil Goldevitz. 2015_09_08_Google erth Kubitzer Bodden, Anglerhafen_wp_Rambin

Der erste Bootssteg entstand noch im Gründungsjahr als Provisorium neben dem damaligen Giesendorfer Badestrand. Mit wachsender Mitglieder- und Bootszahl waren bald alle Möglichkeiten an diesem Standort ausgereizt.

Engagement und Improvisationstalent

Die Alternative fand sich gut einen Kilometer weiter östlich in der Bucht „Am Fuchsberg“. Zu damaligen Zeiten scherte man sich wenig um Formalitäten: Mieten, pachten, Verträge schließen? „Ach was, wir haben mit einigen Leuten der Gemeinde gesprochen, und die Sache war gegessen“, erinnert sich Hansjürgen Stark an das Jahr 1966. Hier sollte der erste feste Bootssteg entstehen. Problem war nur: Es fehlte das Baumaterial.

Aber auch dafür fand sich eine Lösung. „Damals wurden die alten Häuser nahe der heutigen Neuendorfer Kate abgerissen, und einer im Verein hatte einen Trecker mit Anhänger“, freut sich Hansjürgen Stark noch heute, „da wurden Balken, Bretter und alles, was wir zum Bauen des Schuppens brauchten, aufgeladen und zum Fuchsberg gefahren“. Auch für die Uferbefestigung gab es geeignetes Material. Im damaligen Ort Goldevitz war ein Hof aufgegeben worden. „Die Hoffläche war mit Feldsteinen gepflastert, denen rückten wir mit Brechstangen und Spitzhacken zu leibe“, schmunzelt Vereinsgründer Stark. Transportiert habe man alles wieder per Trecker mit Anhänger. So konnte man das befestigte Ufer weiter ausbauen und die Steganlage erweitern. Werftarbeiter unter den Vereinsmitgliedern schweißten die Stahlkonstruktion zusammen, auf denen noch heute die Holzplanken liegen.

Mit Köpenicker um die Wette geangelt

Gegen Unbilden des Wetters bot den Anglern bei Geselligkeiten eine riesige Güterwagenplane Schutz. Weil auch dies kein Dauerzustand sein konnte, entstand bald eine feste, ausladende Überdachung. Strom gab es hier damals nicht. Während man heute den Generator anwirft, „hatten wir damals für die Kühlung eine einfache Lösung parat“, erinnert sich Hansjürgen Stark, „unter dem Schuppen haben wir einen ‚Keller‘ gegraben, da passten gut drei Kästen Bier rein“. Und an „anständiges“ Bier sei man auch gekommen. Dafür hätten Anglerfreunde von den Kabelwerken Oberspree in Berlin-Köpenick gesorgt. Mit dem dortigen Verein veranstaltete man regelmäßiges Wettangeln – im Sommer in Köpenick, wenn an der Spree beste Fischzeit war. Und im Oktober war es auf dem Kubitzer Bodden am günstigsten. Dann rückten die Berliner Freunde zum Wettstreit an.

Bis in die späten siebziger Jahre war das Gewässer für seinen Fischreichtum bekannt. An guten Angeltagen, wissen ältere Vereinsmitglieder zu berichten, lag abends die Hafenwiese voller Fische. Das änderte sich, als aus einem Schweinemastbetrieb Gülle über einen Entwässerungsgraben in den Bodden geriet. Infolge von Überdüngung nahm das Algenwachstum Überhand, und dem Wasser wurde der notwendige Sauerstoff entzogen. Eine andere Ursache für den Rückgang des Fischbestands lag an den damals riesigen Kormorankolonien. Jetzt sind die Umweltverhältnisse am Kubitzer Bodden wieder intakt. In den letzten drei Jahren haben sich die Fischbestände wieder  erholt.

Was wäre eine Geschichte über Angler, wenn nicht mit den dicksten Fischen geprahlt würde. Dem Vernehmen nach soll einer im Verein einen 15-Kilo-Hecht an der Angel gehabt haben. Hansjürgen Stark hat es immerhin auf ein 1,10 Meter langes und zehn Kilo mächtiges Exemplar gebracht.

Wasser auf dem Kubitzer Bodden: mal so, mal so

Gefeiert wird beim Sommerfest jedes Jahr unter einem Motto: 2015 war es das Thema „Gut behütet“. So zeigten sich die Anglerfrauen in bester Laune. Foto: fl.

Gefeiert wird beim Sommerfest jedes Jahr unter einem Motto: 2015 war es das Thema „Gut behütet“. So zeigten sich die Anglerfrauen in bester Laune. Foto: fl.Zu kämpfen haben die Sportangler aus Rambin seit jeher mit wechselnden Wasserständen auf dem ohnehin flachen Boddengewässer. „Bei unseren Booten ist ein Tiefgang von 30 Zentimetern das Alleräußerste“, betont Peter Puchert. Bei starken süd-westlichen Winden sinke der Wasserspiegel, als hätte jemand den Stöpsel gezogen. Dann liegen die Boote im Hafen „hoch und trocken“. Bei Starkwinden aus Nord-West steigt das Wasser. Im Millenniums-Herbst hatten Hochwasser und Sturm den Anglerhafen mit Macht heimgesucht. Wind und Wellen rissen Segeljollen und Motorboote vom Steg und wurden dabei zerstört oder erheblich beschädigt. Bürgermeister Christian Tiede (FDP) zeigt auf einen Baum am nahen Ufer: „Hieran haben sich damals die Männer mit Leinen gesichert, als sie im Wasser versuchten, zu retten, was zu retten war“.

Arbeitseinsatz zum Saisonende im Oktober. Jetzt kehrt Ruhr ein im Anglerhafen von Rambin. Foto: fl.

Einmal jährlich zum Saisonschluss kommt eine Einladung. Sie lautet lakonisch: „Arbeitseinsatz”. Darunter wird aufgezählt: „1. Abbau des Steges, 2. Aufräumen des Hafengeländes, 3. Instandsetzung der Slipanlage, 4. Abbau der Fahnen an der Fahrrinne. Der Vorstand.” Man nimmt’s gelassen, denn anschließend gibts Würstchen und Bier zur Belohnung.

Zahlen und Fakten

  • 1965 wurde die Ortsgruppe Rambin im Deutschen Angler-Verband (DAV) gegründet, sie zählt heute 50 Mitglieder. 
  • 30 Liegeplätze für Segeljollen und flachgehende Motorboote hat der Anglerhafen „Am Fuchsberg“. Mit mehr als 30 Zentimetern Tiefgang kann auf dem Bodden nicht gefahren werden.
  • 1.800 Euro Pacht für Boden- und Wasserfläche zahlt der Verein jährlich an die Stadt Stralsund und das Wasser- und Schifffahrtsamt.
  • 18.000 Euro hat im Jahr 2008 das Ausbaggern der Fahrrinne zum Hafen gekostet. 
  • 8.000 Euro davon gab es als Zuschuss von der Gemeinde. 
  • 10.000 Euro, den verbleibenden Rest, haben die Vereinsmitglieder angespart und per Umlage finanziert.
  • Aktuelle Informationen veröffentlicht der Verein auf seiner Internetseite.

20 Jahre Heimatmuseum

Rambin – April 2015. Die Spreu vom Weizen trennen – früher war das keine Redensart, sondern Schwerstarbeit in der Landwirtschaft. Mit welchem Gerät Bauern auf Rügen bis in die 1930er-Jahre arbeiteten, lässt sich am besten im Heimatmuseum Rambin aufspüren. Hier, ganz in der Nähe des Bahnhofs, ist alles unter Dach und Fach versammelt: Vom Dreschflegel bis zum Rübenschneider. Seele und Motor des Museums ist ein Förderverein – und der ist gerade 20 Jahre alt geworden.

In seiner Festansprache erinnert Vereinsvorsitzender Georg Jeske an den wechselvollen Aufbau des Museums. Foto: fl.

Anlass für den Rückblick unter Vereinsmitgliedern und Gästen. Georg Jeske, Vorsitzender des Fördervereins, erinnert an die ersten Jahre: „Als wir 1995 anfingen, hatten wir die Grabitzer Scheune als Ausstellungsort ins Auge gefasst“. Es sei ein Kräutergarten angelegt worden, beim ersten Erntefest des Vereins habe man dem Publikum mit Schaudreschen und Getreidemahlen die Vorstufen für’s Brotbacken demonstriert. Dafür war eigens ein Lehmofen gebaut worden; die Brote entstanden so nach historischem Vorbild.

Mit der Scheune im Rambiner Ortsteil Grabitz hatte der Museumsverein allerdings keine glückliche Wahl getroffen. Zwar war der Standort voller Symbolkraft. Hatte doch einer der bedeutendsten deutschen Lyriker im benachbarten Gut Grabitz einen Teil seiner Jugend verbracht: Ernst Moritz Arndt lebte hier vom 11. bis 18. Lebensjahr. Der historische Bezug half aber in pragmatischen Dingen überhaupt nicht weiter: An der Scheune gab es hohen Reparaturbedarf. Dafür aber langten die Vereinsfinanzen bei weitem nicht. Wo also hin mit dem Grundstock der Museumssammlung, die man aus dem Erbe des Götemitzer Bauern Fritz Herud erworben hatte? Es handelte sich dabei um landwirtschaftliche Geräte und Ausrüstungen, teils aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Besucher, vor allem jüngere Menschen, will der Förderverein mit diesen Sujets an die Lebensumstände früherer Generationen auf Rügen heranführen.

Die Lösung fand sich auf dem Grundstück der einstigen Bäuerlichen Handels-Genossenschaft (BHG), das jetzt der Gemeinde gehört. Für einen symbolischen Euro pro Jahr wurde der Verein Pächter der Liegenschaft. Hier konnte er das Projekt zum sehenswerten Heimatmuseum entwickeln und mit Leben füllen. Die Objekte aus der Herudschen Sammlung dokumentieren, welche Geräte und Maschinen in der Zeit um 1800 bis in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts bei einem mittelbäuerlichen Betrieb zum Einsatz kamen.

Das voll funktionsfähige Sägegatter kann mit einem einzigen Sägeblatt aus mächtigen Baumstämmen schnurgerade Balken und Bretter zu schneiden. Foto: fl.
Das voll funktionsfähige Sägegatter kann mit einem einzigen Sägeblatt aus mächtigen Baumstämmen schnurgerade Balken und Bretter zuschneiden. Foto: fl.

Aus dem 300 Jahre im Familienbesitz befindlichen Hof Dörp in Parchtitz überließ die Erbin dem Museum einige Maschinen und Geräte als Dauerleihgabe. Dazu gehört auch der mindestens 100 Jahre alte, von Hand betriebene „Langdrescher“, der das Korn von Stroh und Spreu trennt. Vergleichsweise monströs ist das Sägegatter. Mit einem einzigen Sägeblatt schafft es die voll funktionsfähige Maschine, aus mächtigen Baumstämmen schnurgerade Balken und Bretter zu schneiden.

Rüben wurden mit diesem Gerät geschnitten. Mit welchen Ausrüstungen Bauern auf Rügen bis in die 1930er Jahre arbeiteten, lässt sich am besten im Heimatmuseum Rambin aufspüren.
Rüben wurden mit diesem Gerät geschnitten. Mit welchen Ausrüstungen Bauern auf Rügen bis in die 1930er Jahre arbeiteten, lässt sich am besten im Heimatmuseum Rambin aufspüren. Foto: fl

Auch das historische Brotbacken wird auf dem Museumsgelände wieder vorgeführt – im  Nachfolger des ersten Lehmbackofens aus den Anfangsjahren in Grabitz. Das respektable Exemplar verfügt jetzt sogar über eine ausladende Überdachung. So können auch bei Regen bis zu 30 Brote in einem Rutsch gebacken, frisch und warm den Besuchern angeboten werden.

Der Lehmofen ist auch Namensgeber einer monatlichen Veranstaltungsreihe. Die „Backofengespräche“  sind eine Veranstaltungsreihe mit Vorträgen zu anspruchsvollen Themen der Insel Rügen. Im Anschluss diskutieren die Experten mit den Besuchern.

Das Vereinsleben sorgt im Rambiner Jahreskalender für wiederkehrende Höhepunkte. Dazu gehört das Frühlingsfest mit Tanz in den Mai. Der Rambiner Volkschor hatte hier des Öfteren seine Auftritte. Im Programm stehen auch jedes Jahr Liedermacherinnen und Liedermacher der verschiedensten Musikrichtungen. Das Erntedankfest im Herbst ist immer mit einem Markttag verbunden.

Zum zwanzigjährigen Bestehen des Museumsvereins im April 2015 entstand dieses Video mit dem 23-köpfigen Volkschor Rambin.. Video: Frank Levermann.

2016_03_08 Ernst Moritz Arndt, Quelle Wikimedia commons, Carte de Visite_wp_RambinEinen Bezug zu Rügens berühmten Sohn Ernst Moritz Arndt konnte der Museumsverein auch am neuen Standort herstellen:

Als damals 19-jähriger Schüler ließ sich Arndt seine Gymnasialstiefel in Rambin anfertigen – eine komplette Werkstatt des Schuhmachers Vespermann steht jetzt im Rambiner Heimatmuseum. 

Von seinem 11. bis 18. Lebensjahr wohnte er auf Gut Grabitz in Rambin.

Foto/Repro fl: Ernst Moritz Arndt, Quelle: Wikimedia commons.